KREUZBERGER NOVELLE

Wolfgang Lange

Festeinband, 116 Seiten
ISBN 978-3-933109-87-3
9,80 € [D] / 10,10 € [A]

Erscheint im Dezember 2023

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Leseprobe

Dies ist die Geschichte einer jungen Dame, die an die Liebe glaubte. Seit ihrem 14. Lebensjahr war sie in Alfred verliebt und überzeugt davon, dass sie einmal heiraten würden. Sie arbeitete im Lohnbüro einer Kreuzberger Schraubenfabrik, er studierte an der Freien Universität.

Eines Abends wurde sie in der U-Bahn von einem betrunkenen Mann belästigt, und als sie ihn abwehrte, schlug er sie nieder. Seit diesem Ereignis wagte sie sich nicht mehr allein aus dem Haus und saß abends meist mit ihren Eltern vor dem Fernseher. Ihr Freund hatte nur noch am Wochenende für sie Zeit, dennoch war sie glücklich.

Die Arbeit im Lohnbüro war langweilig. Sie hatte, wie ihre beiden Kolleginnen, am Nachmittag kaum etwas zu tun. Die Zeit wollte einfach nicht vergehen. Das änderte sich schlagartig, als ein neuer Lehrling ihr Büro betrat, der schnell erkannte, worunter seine jungen Kolleginnen litten.

Also erzählte er ohne Unterlass von seinen Reisen, die ihn per Anhalter nach Frankreich und Italien führten, von seinen Abenteuern und romantischen Begegnungen. Als er erfuhr, dass seine junge Kollegin jeden Abend zu Hause saß, weil sie sich nicht allein auf die Straße traute, erklärte er sich spontan bereit, sie überall zu begleiten: ins Kino, ins Theater und in die Gedenkbibliothek am Hallischen Tor. Er war ein ungewöhnlich kräftiger junger Mann mit stahlharten Muskeln, und sie fühlte sich bei ihm geborgen. Diesem entging nicht, dass der Freund seiner Kollegin immer seltener anrief, immer weniger Zeit für sie hatte und sein Vergnügen in der Gesellschaft junger Studenten suchte. Er erkannte schnell, dass seine hübsche Kollegin ihrem Freund als Aushängeschild diente, um seine sexuellen Verwirrungen zu tarnen. Er spürte auch, wie sehr sie sich nach Liebe sehnte, und um zu verhindern, dass sie bei ihrer Suche nach romantischen Abenteuern, wie Madame Bovary, an verlogene Kerle geriet, die nur ihren Körper begehrten, bot er sich ihr diskret an, denn er liebte sie. Sie widerstand der Versuchung nicht.